Sexuelle Belästigung und Machtmissbrauch: Schwere Vorwürfe gegen Nirmal Purja

In einem Artikel der New York Times erheben zwei Bergsteigerinnen schwerwiegende Vorwürfe gegen den nepalesischen Bergsteiger-Star Nirmal Purja.

Die Recherche von Anna Callaghan und Jenny Vrentas mit dem Titel «Für Kletterinnen gehen die Gefahren über Lawinen und Stürme hinaus» hat eine Welle der Empörung ausgelöst. In besagtem Artikel der New York Times geht es darum, dass Frauen zunehmend von sexueller Belästigung und von Missbrauch im Bergsport berichten, einschliesslich der Anschuldigungen gegen Nirmal Purja.

Zwei Zeugenaussagen

Im Falle des berühmten Himalaya-Bergsteigers kommen zwei Frauen zu Wort, die ihre persönlichen Erfahrungen schildern und schwere Vorwürfe gegen ihn erheben.

Eine von ihnen ist die Profi-Bergsteigerin und ehemalige Miss Finnland Lotta Hintsa. Sie erzählt im Artikel, wie Nirmal Purja sie im März 2023 während eines geschäftlichen Treffens in seiner Hotel-Suite in Kathmandu sexuell belästigt habe. Nimsdai habe sie ohne Vorwarnung geküsst, gegen ihren Willen ausgezogen und sich in ihrer Gegenwart selbst befriedigt.

Die andere Zeugenaussage stammt von April Leonardo. Die Amerikanerin war im Juni 2022 als Kundin von Purja’s Expeditionsunternehmen Elite Exped am K2. Sie berichtet, wie er sie ohne ihre Zustimmung geküsst, aggressive Annäherungsversuche gemacht und sie gegen ihren Willen intim berührt habe.

In beiden Fällen beschreiben die Frauen Gefühle der Hilflosigkeit und Verletzlichkeit angesichts der physischen Stärke Purjas. Lotta Hintsa sagt, dass es sich wie eine ausserkörperliche Erfahrung angefühlt habe, als er sie trotz kontinuierlichem Neinsagen ausgezogen habe.

Nirmal Purja prüft rechtliche Schritte

Der beschuldigte Bergsteiger-Star meldete sich mit einem Statement auf Instagram zu Wort, worin er die «abscheulichen Anschuldigungen, die gegen ihn erhoben werden, eindeutig abstreitet». Die Behauptungen seien verleumderisch und falsch.

Statement von Nirmal Purja zu den Vorwürfen im NYT-Artikel.
Statement von Nirmal Purja zu den Vorwürfen im NYT-Artikel.

Nirmal Purja bemängelt, dass der New-York-Times-Artikel viele Ungenauigkeiten enthalte und zahlreiche kritische Fakten auslasse. So habe er beispielsweise einen sehr detaillierten Zeitplan für den 30. März vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass die angeblichen Ereignisse an diesem Tag unmöglich zutreffen könnten. Derzeit prüfe er seine rechtlichen Möglichkeiten.

Nur die Spitze des Eisbergs?

Als Reaktion auf die Vorwürfe haben sich mehrere Expeditionsanbieter sowie auch bekannte Alpinistinnen und Alpinisten von Purja distanziert. Adrian Ballinger, Chef von Alpenglow Expeditions, schrieb auf Instagram, dass sexuelle Ausbeutung eine Gefahr sei, die man nicht einfach nur eindämmen könne. «Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass in unserer Gesellschaft eine Null-Toleranz herrscht.»

Ähnlich sieht es der österreichische Anbieter Furtenbach Adventures. «Einer der wichtigsten Vorbilder in dieser Gemeinschaft wird von mehreren Frauen glaubhaft der sexuellen Belästigung beschuldigt. Wir verurteilen ein solches Verhalten unmissverständlich und bekräftigen, dass es in unserer Gemeinschaft dafür keinen Platz hat.»

AWExpeditions, eine US-Agentur, die sich auf Expeditionen für Frauen spezialisiert hat, schreibt, dass ihr geschlechtsspezifische Machtdynamiken und Aggressionen in den Bergen nicht fremd seien. «Wir sind zutiefst beunruhigt über die Berichte von Nims, wonach er in den Bergen sexuelle Gewalt gegen Frauen ausübt.»

Als erster Sponsor von Nirmal Purja hat der britische Rucksack-Spezialist Osprey Konsequenzen aus der Affäre gezogen: Nirmal Purja wird nicht mehr als Brand-Ambassador aufgeführt.

Der Rückhalt des renommierten Bergsteigers scheint auch in seinem Heimatland zu brökeln. Der oppositionelle Politiker Rajendra Bajgain forderte in einem Statement auf X die Regierung Nepals dazu auf, den Fall Nirmal Purja zu untersuchen.

#MeToo im Bergsport

Ereignisse wie jüngst im Zusammenhang mit Nirmal Purja sind nichts Neues. Boris Becker oder Tiger Woods sind bekannte Beispiele aus dem Sportbereich, die hohe Wellen schlugen. Wer nun denkt, der Bergsport sei eine Ausnahme, den müssen wir enttäuschen.

Erst vor wenigen Tagen wurde der kalifornische Kletterer und Kletterführer-Autor Charles Barrett zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt. «Er nutzte seinen Status als prominenten Kletterer, um sich an Frauen in der Klettercommunity sexuell zu vergehen», lässt sich der Anwalt Phillip Talbert in der Pressemitteilung vom United States Attorney’s Office Eastern District of California zitieren.

Dass unser Sport keine Ausnahme bildet, zeigt eine Studie aus dem Jahr 2018, in der 40% der Frauen angaben, sexuellen Übergriffen oder Belästigungen im Zusammenhang mit ihrer Klettertätigkeit ausgesetzt gewesen zu sein.

57% der Frauen gaben an, verbal belästigt worden zu sein, 41% wurden unaufgefordert berührt, 7% gegen ihren Willen geküsst und 3% gaben an, vergewaltigt worden zu sein. In der Studie wurde explizit nach Fällen im Zusammenhang mit der Ausübung des Klettersports gefragt.

Auf die Frage, ob der Bergsport ein Problem mit sexueller Gewalt hat, hat AWExpeditions eine klare Antwort: «Leider können wir, basierend auf vielen informellen Gesprächen, mit Zuversicht sagen, dass dieser öffentlichkeitswirksame Fall nur die Spitze des Eisbergs eines systemischen Problems im Bergsport ist.»

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